Das Thema Bildung ist allgegenwärtig. Ob Schulbildung, Berufsbildung, Universitäten, Weiterbildung – es geht um Standards, Qualität und damit um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
Was ist und was kann der Beitrag der Katholischen Erwachsenenbildung in Mecklenburg sein? Was ist das Spezifische des Auftrags für Kirche und Gesellschaft?
Bei diesem Nachdenken sind wir in guter Gesellschaft. Die Deutsche Bischofskonferenz veröffentlichte im Sommer 2014 ein Papier mit dem Titel „Katholische Erwachsenenbildung in Deutschland –Grundauftrag, Situation, Perspektiven“.
1. Bildung ist mehr als Wissen
Die Bildungsbegriffe verdanken sich unterschiedlichen Traditionen und Verständnisweisen des Menschen. „Während sich der Bildungsbegriff theologisch vom „Ebenbild Gottes“ (Gen1,27) und vom „Bilde“, das der Einzelne in sich ausprägen soll, herleitet, sagt der Erziehungsbegriff aus, dass das Kind […] „hinauf“ oder “empor“ gerufen und gebracht werden soll – aus einem Zustand des Anfangs und der Unmündigkeit. Beide Begriffe meinen Endvorstellungen: den gebildeten […] Menschen.“[1]
Christliche Bildung orientiert sich an Jesus Christus. In seinem Lebenszeugnis werden Maßstäbe von Bildung und Erziehung ablesbar. „Dieser christologisch begründete Humanismus umgreift Gottes Willen und menschliche Freiheit, Gottesliebe und Nächstenliebe, Partnerbeziehung und Weltgestaltung, […] er zielt Identität aus Glaube an und ist im letzten ein zutiefst geistlicher Vorgang. Eine solche totale Sicht menschlicher Verwirklichung bringt Offenheit, baut Zwänge und Nötigungen ab, ermutigt zu […] Partizipation,…“[2] Erziehung und Bildung sind lebenslange Vorgänge.
Vor-Bilder prägen. Doch schon Platon verdeutlichte mit seinem Höhlengleichnis, dass man den Ab-Bildern durchaus kritisch begegnen soll. Die Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies (Gen 3) zeigt den hohen Preis, der für die Erkenntnis des Guten und Bösen gezahlt werden musste. Vielleicht tun sich manche Menschen deshalb bis heute so schwer damit.
Der christliche Bildungsauftrag gründet in dem vom Glauben geprägten Verständnis des Menschen als Person. Im Mittelpunkt stehen „… nicht die Bedürfnisse des Marktes, sondern die Bildungssubjekte als Person…“[3] „Der Mensch ist in seinem Subjekt-Sein immer schon auf Gesellschaft verwiesen. Individualität und Sozialität gehören beide in gleicher Weise zum Personsein des Menschen. Die unantastbare Würde des Menschen begründen wir als Christen aus der Glaubensüberzeugung, dass jeder Mensch ein Geschöpf Gottes ist, das nach dessen Bild erschaffen wurde. Dadurch wird der Mensch über seine unmittelbaren Lebenszusammen-hänge hinausgehoben. Er ist angelegt als eine durch Vernunft, Gewissen und freien Willen geleitete Person, die sich ihrer Verantwortung für die Gesellschaft und die Schöpfung bewusst sein und diese wahrnehmen soll. Der Mensch mit seinen Anlagen und Begabungen ist ein moralisches Subjekt, dessen Handeln sich in Freiheit vollzieht und das für sein Handeln Verantwortung trägt. Jeder Mensch soll sein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung führen können. Das schließt die verantwortliche Teilnahme am Politischen als Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens ein.“[4]
Aufgabe und Ziel von Bildung sollte es sein, den Blick über den Horizont des Alltags zu lenken, die Strukturen und Zusammenhänge unserer Welt transparent zu machen, bei sachgerechter und wertbezogener Urteilsfindung zu unterstützen, zum selbstständigen Mitgestalten zu motivieren, sowie die dafür nötigen Fähigkeiten zu vermitteln.[5]
Bildung ist mehr als Wissen. Sie will berühren. Sie will Kopf, Herz und Hand zu einer Einheit bringen, die unsere Welt wandeln kann.
2. Bildung als Aufgabe
Von der Konzentration auf das „Kerngeschäft“ des Christlichen wird in der Kirche in der letzten Zeit häufig geredet. Seelsorger/-innen sehen Bildungsangebote als Konkurrenz oder als unnötig an. Doch Seelsorge und Erwachsenenbildung sollten nicht in Konkurrenz zueinander stehen, sondern einander ergänzen. Bildungsangebote werden „zunehmend zum Anlaufpunkt derer, die in der Territorialseelsorge keine erwachsenenkatechetischen Angebote mehr vorfinden, jedoch intellektuell fordernde Diskurse zu lebensgestalterischen, ethischen und religiösen Fragen suchen.“[6], so die Einschätzung der Deutschen Bischofskonferenz. Doch eine anbietende, offene Erwachsenenbildungsarbeit geht immer ein hohes Risiko ein. Das falsche Thema, das nicht passende Wetter, die fehlende Kraft angesichts zunehmender Arbeitsverdichtung – es gibt viele Gründe, die Bildungsangebote ins Leere laufen lassen.
Gesamtgesellschaftlich ist festzustellen, dass Verbindlichkeiten, Bindungen, Zugehörigkeiten abnehmen. Traditionsbrüche werden deutlich – auch in der Kirche. Hier fehlt es oft am Wissen, um reflektiert und authentisch weiterzugeben, was und warum man glaubt. Die Grundkatechese kann nicht die Aufgabe eines Bildungswerkes sein, aber begleitend können Themen Fenster öffnen, die zu einem tieferen Verstehen führen.
Mit Unverständnis wird mitunter auf die Vielfalt der Themen reagiert und das zu wenig an Christlichem moniert. Themen aus Politik, Geschichte, Theologie, Ethik, Kunst und Kultur finden sich in den Programmen vieler kirchlicher Bildungswerke und Akademien. Genau dort gehören sie hin, denn die Spuren Gottes lassen sich an vielen Orten finden. Wer sich in den Binnenraum zurückziehen will, verkennt den Weltauftrag von Christen. Kritische Zeitzeugenschaft ist gefordert, indem öffentlich thematisiert wird, was interessant, wichtig oder gesellschaftlich bedrängend ist. Eingeladen sind dazu grundsätzlich alle interessierten Menschen. Kirche kann so im Gespräch bleiben, Werthaltungen erklären, Positionen verdeutlichen.
Das Stichwort vom lebenslangen Lernen ist seit Jahren in vieler Munde, doch es wird zu oft nur mit beruflicher Bildung assoziiert, was eine deutliche Verkürzung ist. Es engt den Menschen ein. Das „Was bringt es mir? steht dann im Vordergrund. Bildung darf zweckfrei sein, um Menschen ins Gespräch zu bringen, den persönlichen Horizont zu weiten, andere Sichtweisen kennenzulernen, das Faktenwissen zu erweitern, zu sensibilisieren. Bildung ermöglicht eine persönliche Entwicklung, die sich auch positiv auf das berufliche Tun auswirken kann. Bildung sollte als Lebensaufgabe begriffen werden.
3. Bildung ist Leben
„Eine auf Glaube und Vernunft fußende Deutekompentenz, eine Weitung des Horizonts, ein Orientierungsrahmen der Humanität: das sind die Bildungsziele der katholischen Kirche,…“[7], so Bischof Dr. Mussinghoff in seinem Geleitwort in „Katholische Erwachsenenbildung in Deutschland“. Doch in der vielfältigen Trägerlandschaft sind konfessionelle Träger manchmal einem Ideologieverdacht ausgesetzt. Natürlich dürfen von Teilnehmer/-innen Positionen aus christlicher Perspektive erwartet werden. Selbstverständlich ist aber, dass umfassende Informationen, verschiedene Sichtweisen und damit die Chance zur eigenständigen Meinungsbildung auch hier eine Grundlage der Arbeit sind.
Weil Christen diese unsere Welt nicht egal ist, mischen sie sich ein. Die Bildungsarbeit agiert dabei im Feld der allgemeinen und politischen Bildung. Nach der Konvention der Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke ist „politische Bildung ein unverzichtbarer Bestandteil der Allgemeinbildung, indem sie die verantwortliche Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger am Politischen fördert.“[8]
Bildung gehört zum Leben. Fähigkeiten werden entwickelt und eingeübt, Handlungskompetenzen erworben und Handlungsfelder entdeckt, Wert- und Sinnfragen aufgedeckt und reflektiert. Die Förderung der kognitiven, kommunikativen und ethischen Kompetenzen ist dabei Aufgabe und Ziel. Bildung ist so verstanden eine Dienstleistung, die sich im Miteinander der haupt- und ehrenamtlichen Akteure entwickelt. Eine kontinuierliche Bildungsarbeit, die sich nicht auf die großen Zentren konzentriert, ist wichtiger denn je. Die Fläche unseres Landes ist dabei eine große Herausforderung, aber es sollte Ansporn sein, auch dorthin zu gehen, wo es nur wenige Angebote gibt.
Die Grundprinzipien der Kath. Soziallehre sind auch für die Bildungsarbeit eine wichtige Orientierung. Sie ermöglichen Leben:
Das Prinzip der Personalität: Es gilt, Menschen zu stärken, zu ermutigen, aufzuklären. Bildung ermöglicht als personales Angebot Begegnungen und Austausch auf Augenhöhe. Es führt Menschen zusammen.
Das Prinzip des Gemeinwohls: Es gilt, das Bewusstsein für die gleiche Würde aller Menschen wachzuhalten, notwendige Ordnungen und Systeme zu hinterfragen. Bildung rechnet mit dem mündigen Bürger und Christen.
Das Prinzip der Solidarität: Es gilt, Menschen zu sensibilisieren, zu bestärken, zu befähigen. Bildung zielt auf Veränderung und Aktion.
Das Prinzip der Subsidiarität: Es gilt, Menschen erst zu nehmen, zuzuhören, zu begleiten. Bildung lebt von der Beteiligung vieler Akteure.
Bischof Joachim Wanke zitierte 1994 in einer Predigt[9] den Text eines Baustellenschildes. Dort hieß es: „Damit für Sie der Himmel offen bleibt, haben wir auf der Erde viel zu tun!“ Es war seinerzeit ein Hinweis der Lufthansa, umschreibt aber auch kurz und prägnant die Aufgabe kirchlicher Bildungsarbeit. „Damit für Sie der Himmel offen bleibt, haben wir auf der Erde viel zu tun!“
German Schwarz
Salem, 26.01.2016
[1] Praktisches Lexikon der Spiritualität, Herder 1988, Spalte 148
[2] Praktisches Lexikon der Spiritualität, Herder 1988, Spalte 150
[3] Katholische Erwachsenenbildung in Deutschland, DBK, Kommission für Wissenschaft und Kultur Nr. 40, 2014, S. 5
[4] Konvention über katholisch-sozial orientierte politische Jugend- und Erwachsenenbildung in der AKSB, 1998, Absatz 3
[5] Siehe auch: [5] Konvention über katholisch-sozial orientierte politische Jugend- und Erwachsenenbildung in der AKSB, 1998, Absatz 5
[6] Siehe auch: Katholische Erwachsenenbildung in Deutschland, DBK, Kommission für Wissenschaft und Kultur Nr. 40, 2014, S. 5 und 20f
[7] Katholische Erwachsenenbildung in Deutschland, DBK, Kommission für Wissenschaft und Kultur Nr. 40, 2014, S. 5
[8] Konvention über katholisch-sozial orientierte politische Jugend- und Erwachsenenbildung in der AKSB, 1998, S. 3
[9] Bischof Joachim Wanke, Die Aufgaben der Kirche nach dem Ende der sozialistischen Gesellschaft, Predigt 1994, S. 61ff in: Remmers (Hrsg.), Der Standort ist zugleich Programm, Leipzig 1995